Nachhaltigkeitsbericht 2018

Der Nachhaltigkeitsbericht 2018 vom 12. März 2019 nimmt an mehreren Stellen Bezug auf herstellungsbezogene Umweltziele. Demnach gelingt es Volkswagen weiterhin, den Ressourcenverbrauch in der Produktion immer weiter zu reduzieren und Umweltbelastungen zu vermeiden. Das ist schon sehr beeindruckend: obwohl VW an dieser Front seit Jahren höchst aktiv ist, werden noch immer Sparpotentiale aufgetan und gehoben. Das ist keine Kleinigkeit und sollte anerkannt werden.

Produktbezogene Umweltziele vernachlässigt

Schlüsselbegriffe aus den Umweltgrundsätzen Produkt, wie „kraftstoffsparend“ oder „Kundenbetrieb“ tauchen im Nachhaltigkeitsbericht überhaupt nicht auf, „Fahrweise“ nur im Zusammenhang der Fahrweise von Fertigungsanlagen. Dass auf einige Themen dieser Umweltgrundsätze durchaus eingegangen wird, erkennt man daran, dass zwar nicht diese Schlüsselbegriffe auftauchen, aber von manchen zumindest Synonyme.

Auf Seite 57 finden sich unter der Überschrift „CO₂-Bilanz in der Nutzungsphase“ einige entlarvende Ausführungen. Volkswagen berichtet dort von seinem Bemühen, auf dem Rollenprüfstand niedrige Verbrauchswerte zu erzielen (bzw. vorzutäuschen, wie Kritiker wohl sagen würden):

„Im Berichtsjahr hat die EU-Pkw-Neuwagenflotte des Volkswagen Konzerns (ohne Lamborghini und Bentley) im Durchschnitt 123 g CO₂/km emittiert und damit den für 2018 gültigen europäischen Grenzwert von 130 g CO₂/km unterschritten.“

Vor 10 Jahren hatte VW die Weisheit, Rollenprüfstand und Kundenbetrieb zu unterscheiden und formulierte das Umweltziel „Reduzieren des Verbrauchs im Testzyklus und im realen Fahrbetrieb (ich schreibe hier „das“ Umweltziel, obwohl sich dahinter offensichtlich zwei unabhängige Ziele verbergen).

Gleichsetzung Rollenprüfstand und Kundenbetrieb

Im vorliegenden Nachhaltigkeitsbericht unterstellt VW nun, die Versuchsergebnisse auf dem Rollenprüfstand bildeten den Verbrauch im realen Fahrbetrieb ab und ermöglichten auf die CO₂-Bilanz in der Nutzungsphase zu schliessen. Als ob sich Prof. Winterkorn geirrt hätte, als er Reduzieren des Verbrauchs im realen Fahrbetrieb zu einem unabhängigen Ziel erklärte.

Volkswagen scheint das Interesse am ökologischen Fussabdruck seiner Produkte während ihrer Verwendung weitgehend verloren zu haben. Es geht VW anscheinend nur noch um die Erfüllung gesetzlicher Auflagen. Obwohl die Umweltgrundsätze Produkt, datiert vom 1.12.2008, dem Anschein nach immer noch Gültigkeit haben und noch immer auf den Seiten von VW abrufbar sind. Sie werden im Nachhaltigkeitsbericht auf Seite 54 einmal dem Namen nach erwähnt – ohne auf ihren Inhalt einzugehen.

Dabei ist die Erfüllung gesetzlicher Auflagen natürlich unabdingbar. So wird beispielsweise auf Seite 45 im Abschnitt „Verbrennungsmotor mit Brückenfunktion“ von einem besonders verbrauchsarmen Antrieb für die neuesten BlueMotion- Modelle berichtet: „Er verfügt über eine besondere Segelfunktion, bei der im Schubbetrieb der Motor abgestellt wird. Gemeinsam mit weiteren technischen Innovationen führt dies zu einem Verbrauchsvorteil von bis zu 1,0 l/100 km.“ Das ist offensichtlich eine gute Sache, um die gesetzlichen Auflagen für den Flottenverbrauch zu erfüllen. Aber da sich Volkswagen nicht darum kümmert, den Verbrauch im Kundenbetrieb zu betrachten, bleibt der tatsächliche Nutzen dieser Neuerung im Kundenbetrieb unbekannt.

Ziele und Bericht passen nicht zueinander

Der Urheber folgender Bemerkung scheint die VW-Umweltziele überhaupt nicht zu kennen, sonst würde er doch wohl deren Begrifflichkeit aufgreifen: „Durch Spritspartrainings werden der Kraftstoffverbrauch und damit die CO₂-Emissionen wirksam gesenkt.“ (Seite 10 des Nachhaltigkeitsberichts)

Manche Mitarbeiter von VW vermuten, dass das Umweltziel „Unterstützen kraftstoffsparender Fahrweisen“ bedeutet, dass der Produzent und auch das Produkt den Fahrer dabei unterstützen soll, kraftstoffsparend zu fahren – unabhängig davon, ob das Produkt hierfür geeignet ist, oder ob beispielsweise bei einer kraftstoffsparenden Fahrweise die Bremsen kaputt gehen. Demnach wäre nicht gemeint, dass das Produkt kraftstoffsparende Fahrweisen unterstützen soll in dem Sinne, dass das Produkt hierfür geeignet sein soll.

Bei dieser Deutung des Umweltziels sollten die genannten Spritspartrainings also zur Zielerreichung beitragen. Umso verwunderlicher, dass hier keinerlei Versuch gemacht wird, diesen Beitrag zahlenmässig abzuschätzen. Das am einfachsten anzugebende Faktum wäre die Anzahl der Kursteilnehmer im Jahr 2018. Sehr einfach müsste sich am Ende des Kurses anonym eine Schätzung der jährlichen KM jedes Teilnehmers erheben lassen. Mit einer Schätzung des kilometerbezogenen Spareffekts eines solchen Kurses müsste sich doch eine vernünftige Abschätzung des Gesamteffekts der Massnahme angeben lassen. Auch wenn natürlich nicht jeder Teilnehmer den Fragebogen ausfüllen würde.

Möglicherweise lässt sich aus der Aussage „ […] wirksam gesenkt“ zumindest ein quantitativer Wert ableiten. „Wirksam“ könnte gemeint sein als Umschreibung für den Fachbegriff „statistisch signifikant“. In diesem Fall würde aus dem bedeutungsarmen Gelaber folgende handfeste Aussage: VW hat mit Hilfe statistischer Tests die Wahrscheinlichkeit abgeschätzt, dass die Spritspartrainings überhaupt den Kraftstoffverbrauch im Kundenbetrieb senken. VW hat dabei signifikante Ergebnisse beobachtet, was bedeuten würde, dass die Spritspartrainings mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95% zu Einsparungen führen.

Aber das bleibt ein theoretisches Gedankenspiel, denn VW kann dies Umweltziel sowieso nicht erklären. Die Verantwortlichen bei VW wissen anscheinend gar nicht mehr, was damit ursprünglich, im Jahre 2008, gemeint war. Mit bizarrer Konsequenz igoriert VW nun alle denkbaren Lesarten dieses Umweltziels.

Einerseits scheint es VW nicht zu kümmern, dass Bremsen bei spritsparender Fahrweise durch Korrosion kaputtgehen können. Andererseits kümmert VW sich nicht in nachvollziehbarer Weise um den Verbrauch im Kundenbetrieb und inwieweit dieser gesenkt wird – ob durch Sprit­spartrainings oder andere Formen der Ermunterung der Fahrer zu kraftstoffsparenden Fahrweisen.

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